In einem Urheberrechtsstreit zwischen zwei Sachverständigen hat das Landgericht Gießen – 1. Kammer für Handelssachen – Az. 6 O 10/24 am 28.06.2024 auf meinen Antrag
Zitatbeginn: „….dem Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Verfügung – wegen Dringlichkeit ohne mündliche Verhandlung – bei Meidung von Ordnungsgeld bis 250.000 €, ersatzweise Ordnungshaft…….für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt, das Lichtbild wie im Folgenden Abschnitt aus der Vortragspräsentation des Antragsgegners am… in…. abgebildet

(Fotoabbildung kann hier aus rechtlichen Gründen nicht gezeigt werden)

In Vorträgen auf Fortbildungen oder in sonstiger Weise zu zeigen oder zeigen zu lassen, zu veröffentlichen oder veröffentlichen zu lassen, zu verbreiten oder verbreiten zu lassen wie geschehen am …. 2024 auf dem Workshop zum ….. Seminar in J. auf Seite 30 der Vortragspräsentation wie oben abgebildet (Foto oben rechts mit dem Pfeil gekennzeichnet).

Die Kosten des Verfahrens hat das Gericht dem Antragsgegner auferlegt und den Streitwert auf 10.000 € festgesetzt (dies ergibt bei 3 Gerichtsgebühren und 2 x 1,3 Verfahrensgebühren der beiden Prozessbevollmächtigten rund 3.762 € Kosten zzgl. die zur Vollziehung nötigen Kosten des Eilgerichtsvollziehers von 29,65 €).

Gründe:

Der Antragsgegner hat den Unterlassungsantrag anerkannt.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Zwar hat der Antragsgegner den mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung geltend gemachten Anspruch sofort anerkannt, gleichwohl greift nicht die Kostenprivilegierung des § 93 ZPO. Der Antragsgegner war zuvor abgemahnt worden und hatte das streitgegenständliche Foto auch umgehend entfernt, er hatte jedoch eine Rechtspflicht hierzu ausdrücklich nicht anerkannt und auch keine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben. Damit war Wiederholungsgefahr gegeben.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG, 3 ZPO. Da das streitgegenständliche Foto nur einem begrenzten Empfängerkreis zugänglich gemacht wurde und die Urheberrechtsverletzung auch vom inhaltlichen Gehalt des Bildes im unteren Bereich anzusiedeln ist, spiegelt ein Streitwert von 10.000 € das Beseitigungs- und Unterlassungsinteresse des Antragsstellers hinreichend wieder.

Rechtsbehelfsbelehrung…..“ Zitatende

Anmerkung Rechtsanwältin Hagendorff:

Kein Zitatrecht bei Ausschmückung eines Vortrags

Ich habe hier den Antragsteller in der urheberrechtlichen Angelegenheit vertreten. Im Rahmen eines kritischen Vortrags auf einem Seminar hat ein Sachverständiger das Messverfahren des konkurrierenden Sachverständigen (mein Mandant) kritisiert und hierbei zur Ausschmückung seines Werbevortrags eines der Fotos von der Webseite des Antragstellers verwendet, das aus Anlass einer durchgeführten Messung verwendet und den Link zur Quelle beigefügt. Lichtbilder sind nach § 72 UrhG und bei besonderer Schöpfungshöhe auch nach § 1 UrhG geschützt. Ihre Verbreitung auf einem Vortrag oder Veröffentlichung auf Internetseiten ohne Zustimmung des Urhebers verletzt daher das Urheberrecht des Rechteinhabers, wenn nicht eine Ausnahme wie etwa das Zitatrecht nach § 51 UrhG eingreift. Das war hier aber nicht der Fall. Da er sich nicht im Rahmen des Vortrags mit der Folie nicht mit der Abbildung auseinandersetzte, sondern das Foto eher zur Ausschmückung verwendete, um seine These, das Messverfahren sei falsch noch mehr Wirkung zu verleihen, konnte er sich nicht auf das ausnahmsweise erlaubnisfreie Zitatrecht nach § 51 UrhG berufen. Jedoch wollte er auf die Abmahnung trotz Aufforderung keine die Wiederholungsgefahr ausräumende strafbewehrte Unterlassungserklärung abgeben. Ein einfaches Entfernen und „anerkennen“ reichte hier nicht.

Haftungsausschluss „keine Abmahnung ohne vorherigen Kontakt“ ist unwirksam und schädlich

Deshalb war daraufhin zeitnah wegen der Dringlichkeit der Antrag auf die einstweilige Verfügung beim Landgericht notwendig und auch erfolgreich.  Nach Anerkennung im Gerichtsverfahren wurde die einstweilige Verfügung erlassen und hat der Antragsgegner nun die Kosten in Höhe von knapp 3.800 € für Rechtsanwälte, Gerichtskosten und Gerichtsvollzieher zu zahlen. Es ist ein häufiger Irrtum, dass der Rechtsverletzer keine Anwalts- oder Gerichtskosten zu tragen hat, wenn er oder sie nach Hinweis das Foto oder den rechtsverletzenden Text sofort entfernt. Der Rechtsverletzer benötigt in der Regel anwaltliche Hilfe, um den Beweis zu sichern und sich rechtlich beraten zu lassen. Außerdem kann er ja jederzeit die Rechtsverletzung wiederholen und besteht die Gefahr erst recht, wenn der Verstoß keine Kosten und keine Sanktion auslösen. Von dem häufig zu lesende Disclaimer oder „Haftungsausschluss: Keine Abmahnung ohne vorherigen Hinweis“ oder ähnlich ist abzuraten. Den hatte der Antragsgegner hier auch auf seiner Webseite. Sowas zeigt dem Betroffenen und auch dem Gericht, dass ein Unternehmer Rechtsverletzungen billigend in Kauf nimmt und versucht, die Betroffenen dadurch von der Wahrnehmung und effektiven Durchsetzung zur Ausschaltung der Wiederholungsgefahr abzuhalten. Webseiten kann man jeden Tag ändern und Vortragsfolien auch. Anwälte wissen, wie hier gerichtsfeste Beweise zu sichern sind. Es ist also einem Betroffenen Urheber nicht zuzumuten, dies jedes Mal selbst zu kontrollieren und zu dokumentieren und erneut selbst zu verfolgen, erst recht nicht die Anwaltskosten für die Beratung selbst zu tragen. Von solchen Disclaimern ist daher abzuraten und sind vor Gericht eher schädlich, da der Abgemahnte damit dem Gericht damit auch die Bösgläubigkeit anzeigt.

Fazit: Vor der Nutzung von Fotos eines Konkurrenten in eigener Werbung im Rahmen eines Vortrags sollte lieber im Zweifel anwaltlicher Rat eingeholt werden, um einen Rechtsstreit zu vermeiden. Es ist nicht die Verantwortlichkeit des Urhebers den Rechtsverletzer zu belehren oder „freundlich hinzuweisen“, wenn er sich verletzt sieht, sondern Verantwortung des Unternehmers vor der Verwendung die Rechtslage zu prüfen, ob er ein Foto verwenden darf oder eine Lizenz benötigt. Der Mandant ist somit zufrieden, weil auf diese Weise nun der Konkurrent in Sachen Urheberrecht in seine Schranken verwiesen wurde und wegen der gerichtlichen einstweiligen Verfügung anzunehmen ist, dass er dergleichen nicht erneut macht.

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