Der EUGH hat mit Urteil vom 9.1.2025 im Fall der französischen Bahngesellschaft SNCF entschieden, dass ein Unternehmen gegen die DSGVO verstößt, wenn der Kunde (hier Fahrgast) gezwungen wird, „Herr“ oder „Frau“ anzugeben, ohne eine andere Möglichkeit zu haben. Dies sei zu den vertraglichen Zwecken im Personenverkehr keine erforderliche Angabe und daher nicht DSGVO-konform. Das Urteil hat erhebliche praktische Auswirkungen und erfordert Anpassungen, um juristischen Ärger zu vermeiden. Ich fasse zusammen und gebe Praxistipps.
Was genau hat der EUGH entschieden und Kritik
Im Urteil EUGH am 9.1.2025 mit Aktenzeichen C-394/93 ging es um Bahntickets und das Bestellformular der französischen Bahngesellschaft „SNCF Connect“, die nach der Entscheidung des EUGH weder die informierte Einwilligung noch ein berechtigtes Interesse im Sinne der DSGVO hat, bei der Bestellung eines Tickets für den Personenbahnverkehr, die Fahrgäste nach ihrem Geschlecht für die Anrede zu Fragen (Herr oder Frau), ohne weitere Alternativen anzubieten. Denn den Fahrgästen wurde bei dem streitgegenständlichen Bestellprozess keine weitere Wahl gelassen, um ein Ticket zu kaufen. Ich finde es zwar zu weit gehend, hier eine Rechtsverletzung rein zu interpretieren, wenn sich der Fahrgast nicht einfach in so einer banalen Sache entscheidet – selbst wenn die Person non-binär ist – kann sie sich doch einfach für die Zwecke des Transports aus statistischen Gründen heraus entscheiden. Diese Zwecke der korrekten Anrede und Statistik z.B. für den Sanitär-Bereich und Sicherheit der Kundinnen, damit die Bahn diese auswerten kann, sind sinnvoll, dies liegt doch eigentlich auf der Hand. Wo ist das Problem damit? Neben der DSGVO gibt es schließlich weitere Grundfreiheiten wie das Eigentum und den Investitionsschutz für Unternehmerische Freiheiten, mit denen eine Abwägung getroffen muss. Naja, aber der EUGH sieht das leider anders und hat die Auslegungshoheit für die europäischen Verordnungen. Also müssen wir es bis zur Änderung der Verordnungen akzeptieren und beachten. Es ist wie es ist, die Formulare vieler Unternehmen müssen nun angepasst werden. Der EUGH überspannt hier leider – wie schon in einigen anderen Entscheidungen – die Anforderungen an die „Erforderlichkeit“ und die „Interessenabwägung“ nach Art. 6 Abs. 1 lit.f DSGVO. Dagegen kann uns in Zukunft nur eine Anpassung der DSGVO mit den nötigen Klarstellungen schützen. Im Moment müssen wir Unternehmer damit so umgehen, als hätten wir nicht wichtigeres zu tun.
Handlungsbedarf für Marketing und Vertrieb
Denn die Entscheidung ist als Folge der strengen Auslegung zur Erforderlichkeit von personenbezogenen Daten beim EUGH auf fast alle Unternehmen übertragbar, bei denen nicht ausnahmsweise die geschlechtsspezifische Angabe nach dem Zweck des Vertrages von Relevanz ist. Außer etwa Gesundheitsberufen wie etwa bei Ärzten oder im Leistungssport wegen der bekannten geschlechtsspezifischen Unterschiede fallen einem da nicht viele Unternehmen ein, die diese primäre Relevanz behaupten können – in den Augen des EUGH besteht auf Basis berechtigten Interesses nach Art. 6 Abs. 1 lit.f DSGVO keine Rechtsgrundlage, den Kunden nach seinem Geschlecht zu fragen – und sei es allein dafür, um ihn freundlich und sprachlich korrekt in der Korrespondenz anzusprechen und etwa dies für statistische Zwecke auszuwerten.
Fazit: Abmahngefahr und damit Handlungsbedarf zur Anpassung der Formulare
Nachdem wir inzwischen wissen, dass solche leicht über das Internet recherchierbaren nach außen feststellbaren Rechtsverletzungen zu aufwendigen Beanstandungen, Beschwerden und Rügen der Aufsichtsbehörden führen können bis hin zu (Serien-) Abmahnungen Einzelner oder von Abmahnvereinigungen, sollten Unternehmen dies vermeiden und vor allem Online-Shops und Vertriebsplattformen ihre Bestellformulare überprüfen und nötigenfalls anpassen.
Meine Praxistipps zur praktischen Umsetzung:
Wie sollte dies nun geschehen: Meines Erachtens reicht es, die Angabe Frau oder Mann als freiwillige Angabe für die Anrede festzulegen und eine Dritte Möglichkeit anzubieten „keine Angabe“. Personen, die nicht „Herr“ oder „Frau“ auswählen, können dann z.B. in den Emails und Schreiben nur mit „Hallo“ oder wenn auch der Vorname eingegeben wurde immerhin sprachlich korrekt mit „Hallo Sabine Müller“ angeredet werden – oder in der Du-Form mit „Hallo Stefan“ angeredet werden, aber in der Sie-Form wird es schwierig. Dies mag man bedauern, scheint aber leider die Konsequenz aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu sein, wenn der Kunde keine eindeutige Angabe macht. Manche werden das Feld dann der Einfachheit halber ganz weglassen – das wird die Praxis zeigen. Durch die Überschrift „Anrede“ ist aber bei aktiver Auswahl des Users eines Felds „Frau“ oder „Mann“ jedenfalls die Einwilligung zur Verwendung des Zwecks „Anrede“ in informierter Weise nach Art. 6 Abs. 1 lit.a DSGVO gegeben. Des Weiteren kann eine anonymisierte statistische Auswertung auf Basis des berechtigten Interesses auf Basis einer Interessenabwägung bei vielen Unternehmen gerechtfertigt sein, aber das kommt auf nähere Umstände Ihres Unternehmens an und muss für die Datenschutzerklärungen geprüft werden und leider sind hier auch die Pflichten des EUGH zur Information sehr herausfordernd für die Praxis, meist aber wohl lösbar.
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