Coaching-Vertragsrecht
Die auf eine Unternehmerische Tätigkeit gerichteten Coaching Verträge wie „Masterclass E-Commerce Coaching-Vertrag für Unternehmer“ sind rechtlich umstritten, da nicht wie beim Online-Vertragsschluß mit Verbrauchern unbedingt ein Widerrufsrecht besteht oder beim digitalen Unterschreiben teilweise ein Widerrufsverzicht erklärt wird. Seit Jahren gibt es in diesem Bereich viele Rechtsstreitigkeiten. Das hat mehrere Gründe:
Zum einen können sich nach überwiegender Ansicht die Teilnehmer nicht auf ein Widerrufsrecht nach den Verbraucherrechtsvorschriften berufen. Aber unter Umständen können Sie als Existenzgründer nach § 513 BGB ein Widerrufsrecht haben oder wegen irreführender Werbung mit Widerrufsbelehrung den Vertrag anfechten. Es kommen bei Vorliegen der besonderen Voraussetzungen des Fernunterrichtsschutzgesetzes auch eine Nichtigkeit nach §§ 7, 12 FernUSG in Betracht.
Kunden machen sich aufgrund der Werbung mit Wörtern wie „Coaching“ oder vollmundigen Erfolgsversprechen falsche Vorstellungen über den Leistungsinhalt und sind dann enttäuscht, dass sich die Dienstleistungen je nach Anbieter teilweise in erster Linie als digitale Produkte überwiegende Videolernkurse mit Gruppencalls darstellen, in denen kein individuelles Coaching stattfindet. Der Begriff des „Coachings“ ist nicht rechtlich in Deutschland geschützt und das machen sich die Anbieter von unechten Coaching-Angeboten zu nutze. Unerfahrene Existenzgründer werden mit vollmundigen Business-Trainings „Masterclass E-Commerce Training“ und Werbeversprechen, in kostspielige, langfristige Knebelverträge zu locken. So wie immer bei Dienstleistungen – insbesondere im B2B-Bereich – sollten Kunden keine langfristigen Verträge mit Anbietern eingehen, die keine vorzeitige Kündigungsmöglichkeit erlauben. Denn das führt sonst immer wieder zu Fehlinvestitionen, in denen die Leistungen nicht den Erwartungen der Kunden entsprechen. Anders als im Werkvertragsrecht bietet ein Dienstleistungsvertrag mit einer langfristigen Laufzeit von 6 oder sogar 12 Monaten oder länger keine vorzeitige Kündigungsmöglichkeit, es sei denn der Coaching-Vertrag ist ein Verbrauchervertrag und der Teilnehmer wurde nicht ordnungsgemäß belehrt oder unter Umständen bei Existenzgründern oder der Vertrag unterliegt dem Fernunterrichtsschutzgesetz. Während seriöse Coaching-Anbieter sich um eine rechtskonforme, transparente Vertragsgestaltung bemühen, gibt es hierbei immer wieder einige unseriöse Anbieter, die mit listigen Vertrieb über Social Media und Vertrieblichen Maßnahmen telefonisch Verträge abschließen, bevor sie das Angebot hinreichend prüfen konnten. Je nach Lage des Falles ist es möglich, sich gegen solche Vertragsfallen erfolgreich zu wehren.
In einem Fall wurde meine junge Mandantin, die auf der Suche nach einer Ausbildung oder einem Nebenjob zur Finanzierung einer Ausbildung war, von einem Unternehmen aufgefordert, Zahlungen für einen vermeintlichen Coaching-Vertrag „Masterclass E-Commerce Training“ zu leisten. Nach einer gründlichen Prüfung stellte sich jedoch heraus, dass es sich nicht um ein echtes Coaching, sondern lediglich um einen Videokurs ohne individuelle Beratungsleistungen handelte. Außerdem hatte sie keine Rücklagen für das nötige Startkapital, um die im Training empfohlenen weiteren Werbeanzeigen für die Unternehmung zu schalten. Dies war für den Verkäufer erkennbar, sonst hätte er nicht einem so langfristigem Ratenzahlungsvertrag zugestimmt. Solche Verträge, die oft durch irreführende Versprechen und Überrumpelung in einem „kostenlosen Strategiegespräch“ zustande kommen, sind rechtlich anfechtbar, wenn der Widerruf oder die Anfechtung rechtzeitig erklärt werden oder wegen weiterer Mängel für nichtig zu erklären.
Wichtige Aspekte im Fall meiner Mandantin im oben genannten Beispiel waren unter anderem, dass Existenzgründer, die zum Zweck der Aufnahme ihres Gewerbes einen Ratenlieferungsvertrag abschließen nach § 513 i.V.m. §§ 492-512 BGB ein 14tägiges Widerrufsrecht zusteht. Die Tatsache, dass das Masterclass E-Commerce Training in seiner Struktur einem Ratenlieferungsvertrag ähnelte, führte somit zur wirksamen Auflösung des Vertrages und so konnte die angedrohte Klage abgewehrt werden. Auch ein Verzicht auf das Widerrufsrecht, wie es einige Anbieter auf Vertriebs-Plattformen wie beispielsweise copecart.com oder digistore24 u.a. vorsehen, dürfte hier wegen des Umgehungsverbots nach § 512 BGB unwirksam sein, soweit derartige Videolernkurse Vertragsgegenstand sind. Die Rechtssprechung wendet diese Regelungen auch auf Franchiseverträge an, um Existenzgründer mit einer Überlegungsfrist und notfalls 14tägigem Widerrufsrecht ähnlich Verbrauchern bei Verbraucherkreditverträgen vor Überrumpelung zu schützen.
In diesem Zusammenhang sind aktuell zwei neue Urteile interessant: Zum einen ist das Urteil des OLG Stuttgart vom 29.08.2024 (Az. 13 U 176/23) hervorzuheben. Dieses stellt klar, dass auch reine Online-Videokurse, die ohne synchrone Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden angeboten werden, als zulassungspflichtiger Fernunterricht im Sinne des Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG) anzusehen sein können und diese Verträge nicht nur auf Verbraucher, sondern auch Unternehmer anwendbar ist, da kein Grund ersichtlich ist, warum diese im Falle von für sie ungeeignetem Fernunterricht in kostspielige, langfristige Verträge ohne Widerrufs- oder Kündigungsrecht gezwungen werden dürfen.
Ein weiteres aktuelles Urteil zu unechten Coaching-Verträgen stammt vom 13. Senat des OLG Celle (Hinweisbeschluss vom 29.05.2024, Az. 13 U 8/24). Der 13. Zivilsenat des OLG Celle stellte ebenfalls klar, dass der Schutz des FernUSG nicht nur für Verbraucher, sondern auch für bildungswillige Unternehmer gilt. Der Senat betonte, dass es keinen Grund gibt, Existenzgründer vom Schutz vor Überrumpelung und Übervorteilung auszunehmen, selbst wenn sie als Unternehmer handeln.
Aber Achtung: Dieser Auffassung stehen jedoch auch Urteile des OLG Hamburg vom 20.02.2024 Az. 10 U 44/23, Landgericht München I Az. 29 O 12157/23 Urteil vom 12.12.2023 und OLG Köln Urteil vom 6.12.2023 Az. 2 U 24/23 gegenüber, die in den dortigen Fällen von überwiegend persönlichen Coaching-Leistungen ausgegangen sind und das FernUSG nicht für anwendbar gehalten haben und die Wirksamkeit der Zahlungsforderungen der Anbieter bestätigt haben. Solange der Bundesgerichtshof diese widersprüchlichen Auffassungen für die wichtigsten Fallgruppen nicht klärt oder der Gesetzgeber klarstellende Regelungen dazu erläßt, werden die Beteiligten mit rechtlichen Risiken in diesem Bereich zu kämpfen haben.
Praxistipp: Schließen Sie mündlich keine langfristigen Verträge und fordern Sie zunächst ein schriftliches Angebot. Prüfen Sie die Angebote sorgfältig, bevor Sie große Investitionen machen. Die Identität des Anbieters und Leistungsbeschreibung sowie vorzeitige Kündigungsmöglichkeiten sollten klar geregelt sein. Intransparente Angebote sollten Sie ablehnen.
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