Coaching-Vertragsrecht

Business Coaching Verträge wie etwa „Masterclass E-Commerce Coaching-Vertrag für Unternehmer“ oder „Mentoring-Programm für Unternehmer“ und ähnliches waren und sind rechtlich umstritten, da immer wieder die Erwartung der Teilnehmer enttäuscht wird und es zu Leistungsstörungen kommt. Lange war umstritten, auch unter den Oberlandesgerichten, ob das deutsche Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) und damit die teilweise vorgeschriebene Zulassungspflicht bei der zuständigen Behörde nur bei Verbraucherverträgen (B2C) oder zwischen Unternehmern (B2B) in Betracht kommt und wie die Rückabwicklung bei Nichtigkeit des Vertrags mangels ZFU-Zulassung durchzuführen ist. Dies hat inzwischen der Bundesgerichtshof (BGH) mit Urteil vom 12. Juni 2025 geklärt. Er hat sich für eine weite Auslegung und Erstreckung auch auf B2B Verträge entschieden, so dass das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) unter Umständen auch dem Schutz von Unternehmern gilt, die an einem unechten Business Coaching-Vertrag oder Mentoring für Unternehmer teilnehmen. Zur Abgrenzung von echtem Coaching und Fernunterricht sind jedoch noch nicht alle Fragen geklärt. Im Streitfall des BGH war der Vertrag jedenfalls zulassungspflichtig und mangels einer ZFU-Zulassung unwirksam. Seit Jahren gibt es in diesem Bereich unechter Coachings viele Rechtsstreitigkeiten, weil der Begriff „Coaching“ und „Mentoring“ nicht rechtlich geschützt ist und es leider viele unseriöse Anbieter in dem Bereich gab und gibt. Das FernUSG soll lernwillige Teilnehmer vor qualitativ minderwertigen Anbietern schützen und es gibt keinen Grund, den Begriff „Teilnehmer“ nur auf Privatkunden (Verbraucher) zu begrenzen, da auch Selbständige und Unternehmer schutzbedürftig sein können.

Konsequenzen des BGH-Urteils für Business Coaching Verträge: neue Vertriebsprüfungen

Neben anderen vertraglichen Folgen hat die Anwendung des FernUSG auch die Folge, dass ein Widerrufsrecht gewährt werden muss, der Vertrag in Textform alle wesentlichen Eigenschaften wie Art und Inhalt des Lehrgangsabschlusses, Ort, Dauer, Häufigkeit des begleitenden Unterrichts und Lernmaterials („Contents“), egal ob Direktunterricht vor Ort oder virtuellere „Live“ Unterricht in einer Trainingsumgebung, Webinaren oder Online-Gruppen auf einer Online-Plattform oder über Chats stattfindet, etwaige Zugangs- oder Teilnahmevoraussetzungen für Prüfungen oder sonstige Lernerfolgskontrollen des „Lehrenden“. Reine Selbstlernkurse fallen nicht darunter, also auch nicht reine Videolernkurse, aber soweit auch teilweise Fragen gestellt werden können und ein Lernziel, Lernerfolg, versprochen wird, kann die Zulassungspflicht in Betracht kommen, so der BGH bereits in 2009. Es muss also nach der neuen BGH-Ansicht auch bei B2B-Verträgen geprüft werden, ob der konkrete Anbieter mit seinem Angebot nach diesem neuen Grundsatzanteil unter das FernUSG fällt – dies hat weitreichenden Folgen für die Branche. Noch ein Hinweis: Selbst wenn das FernUSG nicht einschlägig ist, z.B. bei überwiegend synchronem 1:1 Coaching (vgl. § 1 FernUSG), können die Teilnehmer unter Umständen als Existenzgründer nach § 513 BGB ein Widerrufsrecht haben, oder sich auf Formmängel berufen oder wegen irreführender Werbung mit falscher oder fehlender Widerrufsbelehrung den Vertrag (z.B. über die Plattform Copecart oder Digistore) möglicherweise den Vertrag anfechten. Die Fallstricke sind für die Anbieter also mannigfaltig. Fazit: Laut BGH vom 12. Juni 2025 kommen bei Vorliegen der besonderen Voraussetzungen des Fernunterrichtsschutzgesetzes auch eine Nichtigkeit nach §§ 7, 12 FernUSG in Betracht – das ist nun nach dem neuen Grundsatzurteil in mehr Fällen der Fall als bisher von vielen Anbietern gedacht.

Saldotheorie bei Rückabwicklung

Kunden machen sich teilweise aufgrund der Werbung mit Wörtern wie „Coaching“ oder „Mentoring“, falsche Vorstellungen über den Leistungsinhalt und sind dann enttäuscht, dass sich die Dienstleistungen je nach Anbieter teilweise in erster Linie als digitale Produkte überwiegende Videolernkurse mit Gruppencalls darstellen, in denen kein individuelles Coaching stattfindet. Der Begriff des „Coachings“ ist nicht rechtlich in Deutschland geschützt und das machen sich die Anbieter von unechten Coaching-Angeboten zu nutze. Unerfahrene Existenzgründer werden mit vollmundigen Business-Trainings „Masterclass E-Commerce Training“ und Werbeversprechen, in kostspielige, langfristige Knebelverträge zu locken. So wie immer bei Dienstleistungen – insbesondere im B2B-Bereich – sollten Kunden keine langfristigen Verträge mit Anbietern eingehen, die keine vorzeitige Kündigungsmöglichkeit erlauben. Denn das führt sonst immer wieder zu Fehlinvestitionen, in denen die Leistungen nicht den Erwartungen der Kunden entsprechen. Anders als im Werkvertragsrecht bietet ein Dienstleistungsvertrag mit einer langfristigen Laufzeit von 6 oder sogar 12 Monaten oder länger keine vorzeitige Kündigungsmöglichkeit, es sei denn der Coaching-Vertrag ist ein Verbrauchervertrag und der Teilnehmer wurde nicht ordnungsgemäß belehrt oder unter Umständen bei Existenzgründern oder der Vertrag unterliegt dem Fernunterrichtsschutzgesetz. Während seriöse Coaching-Anbieter sich um eine rechtskonforme, transparente Vertragsgestaltung bemühen, gibt es hierbei immer wieder einige unseriöse Anbieter, die mit listigen Vertrieb über Social Media und Vertrieblichen Maßnahmen telefonisch Verträge abschließen, bevor sie das Angebot hinreichend prüfen konnten. Je nach Lage des Falles können Teilnehmer erfolgreich Geld ganz oder teilweise zurückverlangen. Hierbei gilt nach dem BGH Urteil vom 12.06.2025 die Saldotheorie: Es kommt darauf an, wieviele Leistungen der Teilnehmer bis zum Streit in Anspruch genommen hat und welchen Wert dieser hat, sprich wieviel er für die empfangenen Leistungen hätte bezahlen müssen, wenn er einen gleichwertigen Anbieter mit ZFU-Zulassung gebucht hätte. Es kommt somit auf die Einzelfälle an und wer was beweisen kann. 

Schutz für Existenzgründer nach BGB wird oft übersehen

Ähnlich wie beim Widerrufsrecht nach dem FernUSG kann aber auch bei Ratenlieferungsverträgen mit Finanzierungshilfe für Existenzgründer ein Widerrufsrecht bestehen, da auch diese vom Gesetzgeber unter einen gewissen Schutz vor Übervorteilung gestellt werden. Auch diese Verträge können, wenn die Schriftform oder Widerrufsbelehrung nicht vorschriftsmäßig eingehalten wird, noch über die 14 Tage hinaus widerrufen werden. Existenzgründer, die zum Zweck der Aufnahme ihres Gewerbes einen Ratenlieferungsvertrag oder andere Finanzierungshilfen wie Rabatte oder kostenlose Schulungsabschnitte abschließen, können nach § 513 i.V.m. §§ 492-512 BGB ein 14tägiges Widerrufsrecht zustehen oder gar ein Auflösungsrecht darüber hinaus. Immer wieder haben auch Coaching-Anbieter auf Vertriebs-Plattformen wie beispielsweise copecart.com oder digistore24 die falsche Produktart gewählt und eine falsche Widerrufsbelehrung in den Verträgen. Hier dürften einige Verträge auch wegen des Umgehungsverbots nach § 512 BGB unwirksam sein, soweit Videolernkurse fälschlich als Coaching-Verträge also Dienstleistungen „verkauft“ werden. Die Rechtssprechung wendet diese Regelungen auch auf Franchiseverträge an, um Existenzgründer mit einer Überlegungsfrist und notfalls 14tägigem Widerrufsrecht ähnlich Verbrauchern bei Verbraucherkreditverträgen vor Überrumpelung zu schützen.

Der BGH hat nun zwei Urteilen Recht gegeben, die bereits in 2024 für Unruhe in der Coaching-Branche gesorgt haben: Zum einen ist das Urteil des OLG Stuttgart vom 29.08.2024 (Az. 13 U 176/23) hervorzuheben. Dieses stellt klar, dass auch reine Online-Videokurse, die ohne synchrone Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden angeboten werden, als zulassungspflichtiger Fernunterricht im Sinne des Fernunterrichtsschutzgesetzes (FernUSG) anzusehen sein können und diese Verträge nicht nur auf Verbraucher, sondern auch Unternehmer anwendbar ist, da kein Grund ersichtlich ist, warum diese im Falle von für sie ungeeignetem Fernunterricht in kostspielige, langfristige Verträge ohne Widerrufs- oder Kündigungsrecht gezwungen werden dürfen.

Ein weiteres aktuelles Urteil zu unechten Coaching-Verträgen stammt vom 13. Senat des OLG Celle (Hinweisbeschluss vom 29.05.2024, Az. 13 U 8/24). Der 13. Zivilsenat des OLG Celle stellte ebenfalls klar, dass der Schutz des FernUSG nicht nur für Verbraucher, sondern auch für bildungswillige Unternehmer gilt. Der Senat betonte, dass es keinen Grund gibt, Existenzgründer vom Schutz vor Überrumpelung und Übervorteilung auszunehmen, selbst wenn sie als Unternehmer handeln.

Die folgenden Urteile sind damit veraltet und Geschichte: OLG Hamburg vom 20.02.2024 Az. 10 U 44/23, Landgericht München I Az. 29 O 12157/23 Urteil vom 12.12.2023 und OLG Köln Urteil vom 6.12.2023 Az. 2 U 24/23 gegenüber, die in den dortigen Fällen von überwiegend persönlichen Coaching-Leistungen ausgegangen sind und das FernUSG auf B2B-Verträge mit Unternehmern nicht für anwendbar gehalten haben und die Wirksamkeit der Zahlungsforderungen der Anbieter bestätigt haben. Solange der Bundesgerichtshof diese widersprüchlichen Auffassungen für die wichtigsten Fallgruppen nicht klärt oder der Gesetzgeber klarstellende Regelungen dazu erläßt, werden die Beteiligten mit rechtlichen Risiken in diesem Bereich zu kämpfen haben. 

Praxistipp: Schließen Sie mündlich keine langfristigen Verträge und fordern Sie zunächst ein schriftliches Angebot. Prüfen Sie die Angebote sorgfältig, bevor Sie große Investitionen machen. Die Identität des Anbieters und Leistungsbeschreibung sowie vorzeitige Kündigungsmöglichkeiten sollten klar geregelt sein. Intransparente Angebote sollten Sie ablehnen. 

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