Droht eine Vertriebsprüfung durch die ZFU nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz auch bei Business Coachings?
Derzeit ja, obwohl die Anwendbarkeit des FernUSG auch bei B2B-Verträgen derzeit umstritten und nicht klar geregelt ist. Es gibt unterschiedliche Ansichten und beide Seiten haben ihre Argumente, sodaß diese Frage bei den verschiedenen Oberlandesgerichten und Landgerichten in Deutschland umstritten ist. Jedenfalls die Prüfpraxis der ZFU (Staatliche Zentralstelle für Fernunterricht – zfu.de) und vieler Gerichte sowie Institute gehen davon aus, sodass auch viele Lehrgänge, die ganz oder teilweise nur für Unternehmer bestimmt sind, wie etwa Fachanwaltskurse von der ZFU zuzulassen sind. Der sicherste Weg wäre also im Zweifel klare Konzepte zu haben, die wegen der sonstigen Voraussetzungen eine Zulassungspflicht vermeiden oder sonst lieber eine Zulassung zu beantragen. Die ZFU hat die von ihr vertretene Ansicht, dass das Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) auch auf Verträge mit Unternehmern oder Teilnehmern als Unternehmern, somit im B2B-Bereich, Anwendung findet zwar aktuell (Stand 28.06.2024) wieder von der Webseite genommen. Dort war unter den FAQ für Veranstaltende bis vor kurzem aufgrund einer Vielzahl von Anfragen noch die klare Aussage abrufbar, dass das FernUSG auch auf Unternehmer im Sinne von § 14 BGB Anwendung finde. Aktuell ist das zwar nicht mehr abrufbar, aber diese Ansicht hat nach einem erneuten Hinweisbeschluss des OLG Celle vom 29.05.2024 mit ausführlicher Begründung neuen Auftrieb erfahren. Update 22.07.2024: Zuletzt hat das Oberlandesgericht Celle ausführlich in einem Hinweisbeschluss vom 29.05.2024 Az. 13 U 8/24 bekräftigt nämlich ausführlich begründet, dass das FernUSG auch auf Business-Coaching oder „Mentoring“ Verträge anwendbar sein kann und nicht nur dem Schutz von Endverbrauchern dient, da auch Selbständige und Existenzgründer als Lernende ebenso schutzbedürftig sein können. Dies liegt an zunehmend bei den Behörden und Gerichten aufschlagenden Fällen von unseriösen Anbietern, die die Vertragsgestaltung und – Durchführung irreführend, mangelhaft oder unfair handhaben d.h. nach Art und Qualität völlig unzureichende standardisierte Angebote irreführend als „Coaching“ oder „Mentoring“ lernwilligen Teilnehmer vertreiben und damit das Preis-Leistungsverhältnis gestört ist. Wesentliche Angaben wie Identität und Kontaktangaben zum Anbieter, der Umfang der benötigten Rücklagen für die im Rahmen des Coachings benötigten weiteren Werbeausgaben, Zeitaufwand für den Selbstlernanteil, sonstige Leistungen, Voraussetzungen für ein erfolgreiches Coaching beim Teilnehmer, Anteil der individuellen Betreuung usw Rechtsinstrumente wie Widerruf greifen oft nicht wegen Rechtsunsicherheiten der Sonderfälle eines Widerrufsrechts außerhalb des Verbraucherrechts, das Rechtsinstrument der Anfechtung wegen Täuschung ist oft unbekannt und ebenso deren Fristen und zudem manipulieren unseriöse Anbieter oft psychologisch geschult und manipulativ erfolgreich dagegen. Eine Bedenkzeit besteht ferner ebenfalls oft nicht, da die Teilnehmer keine transparente Angebote erhalten, sondern der Vertragsschluß fernmündlich mit der zeitgleichen elektronischen Unterzeichnung eines unübersichtlichen Online-Formulars erfolgt.
Typische Beweisnot
Zudem besteht bei den Betroffenen typischerweise Beweisnot, wenn sie sich beschweren wollen, und fehlen Existenzgründern oder Kleinunternehmen oft die Ressourcen, denn sie haben den Coach ja gerade deshalb beauftragt, weil sie Umsetzungsprobleme im Marketing- und Vertrieb hatten und statt einer individuellen Hilfe haben sie dann nur weiteren Ärger, unverhofft und Rechnungen mit langer Vertragsbindung erhalten. Eine Mangelgewährleistung gibt es im deutschen Recht nicht bei Dienstleistungsverträgen, wohl aber bei Kaufverträgen oder digitalen Produkten. Diese Unterschiede und Handlungsoptionen, um sich zu schützen, sind den anwaltlich nicht beratenen Teilnehmern jedoch meist nicht bekannt und daher bringen einige Coaching Anbieter die Branche in Verruf (wie auch ein Fachmagazin der Berufscoaches bedauert https://www.coaching-magazin.de/beruf-coach/coaching-rechtsfreier-raum)? Widerrufsrechte haben die Teilnehmer im Normalfall nur im Rahmen des FernUSG oder nach dem Fernabsatzrecht des BGB für Verbraucher. Zar gibt es auch je nach Vertragsart bei Existenzgründern Widerrufsrechte nach den §§ 510, 513 BGB, aber die sind selbst bei Richtern und Rechtsanwälten oft unbekannt und bestehen eben nur für Teilnehmer, die den Vertrag zum Zwecke der Existenzgründung mit einem Anbieter geschlossen haben, der eine Ratenlieferungsvereinbarung oder entgeltliche Finanzierungshilfe gewährt hat. Das wird zwar zunehmend weit ausgelegt, z.B. auch auf die Verträge mit Existenzgründern und Franchiseanbietern (vgl. OLG Dresden, Beschluss vom 3. Februar 2020, Az. 4 W 918/19 mit weiteren Nachweisen – abrufbar bei https://dejure.org/), aber im Regelfall bleibt den sonstigen Unternehmern nur der Widerspruch auf ein (falsches oder nicht vorhandenes) Bestätigungsschreiben nach HGB, die zeitnahe Anfechtung wegen arglistiger Täuschung oder mit aufwendiger Beweisaufnahme die Berufung auf sittenwidrige Schädigung wegen Wucher, Täuschung und Überrumpelung nach §§ 138 BGB und Schadenersatzpflicht nach §§ 243, 280, 826 BGB wegen irreführender (vor-)vertraglicher Angaben. Das OLG Celle sieht hier zu Recht noch eine weitere Menge an übrigen Unternehmern, die bei unlauter handelnden Anbietern ebenfalls schutzbedürftig sein dürften, wenn sie bei wahrheitsgemäßer, nicht irreführenden vorvertraglichen Informationen und transparenter klarer und vollständiger Vertragsgestaltung den Vertrag nicht geschlossen hätten und ihnen deshalb ein Schaden entstanden (analog § 9 Abs. 2 UWG).
Keine Änderung der Prüfpraxis der ZFU erkennbar
Hintergrund ist aber derzeit nach meinen Informationen keine Änderung der Prüfpraxis der Behörde, die weiterhin unter Umständen auch im B2B-Bereich prüft. Eine Änderung besteht nur insofern, als die ZFU sich hier abwartend verhält und vorläufig auch B2B-Anbieter im Visier hat, weil diese Auffassung derzeit unter den Gerichten aufgrund vieler widerstreitender Urteile in 2023 und 2024 sehr umstritten ist und in laufenden Präzedenzverfahren noch höchstrichterlich geklärt werden muss. Diese Klärung durch den Bundesgerichtshof wird jedoch voraussichtlich noch mindestens 1-2 Jahre dauern, wenn nicht zwischenzeitlich der Gesetzgeber für eine Klarstellung im FernUSG sorgt. Vor dem Hintergrund von laufenden Verfahren, will sich die Behörde demnach wohl lieber mit der umstrittenen Aussage zurückhalten und die höchstrichterliche Klärung abwarten. Nach ihrer Prüfpraxis jedenfalls, wendet sie aber nach meinen anwaltlichen Erfahrungen das FernUSG auch auf Verträge mit Unternehmern an. Hierfür sprechen auch einige Argumente, etwa dass nach dem Wortlaut das FernUSG nicht voraussetzt, dass der Vertrag mit einem Verbraucher im Sinne von § 13 BGB abgeschlossen wird und auch in anderen Gesetzen wie etwa bei Verträgen mit Finanzierungshilfe und Franchiseverträgen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch auch Existenzgründer, die ebenfalls Unternehmer sind, ein Widerrufsrecht ähnlich wie im FernUSG einzuräumen ist neben weiteren Informations- und Formvorschriften.
Fazit und Praxistipps für Anbieter:
Anbieter von Lernplattformen, die auch Webinare und Chatsupport und ähnliche Leistungen im Leistungspaket haben sowie Coaching Anbieter sollten also derzeit ihre vertragliche Gestaltung und Dokumentation anpassen, um Rechtsstreitigkeiten mit der ZFU sowie unzufriedenen Teilnehmern / Coachees zu vermeiden.
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