Das Landgericht Köln gab mir mit Hinweisbeschluss vom 6.11.2024 Az. 28 O 207/24 in einer äußerungsrechtlichen Streitigkeit um einen kritischen Blogbeitrag recht: die namentliche Nennung war unter Abwägung der Umstände meine zulässige kritische Äußerung einer anderen Rechtsmeinung, die sich hören läßt. Ich hatte ausnahmsweise ein Unternehmen, dessen Vertragspraxis umstritten ist, namentlich im Blogbeitrag benannt und auf Grundlage eines Landgerichtsurteils kritisiert, da ich nach langjähriger Beratungspraxis für seriöse Coaching Anbieter zunehmend auch geschädigte Teilnehmer des gegnerischen Unternehmens als Mandanten hatte, die sich über das Unternehmen beschwerten. Hierbei hatte ich auch den maßgeblich betroffenen Coach, der unter falschem Namen auf verschiedenen Social Media Kanälen und Webseiten Werbung für eine „E-Commerce Masterclass“ betrieb, mit seinem echten Namen genannt. Schwerpunkt des Streits war die Frage, ob der Vertrag einer Zulassungspflicht nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz unterliegt und ich habe angemerkt, dass daneben auch noch ein Widerrufsrecht des Beklagten als Existenzgründer in Betracht kam nach § 513 BGB. Es handelte sich nicht um eine Datenschutzverletzung, da Datenschutz kein Täterschutz für unlautere Werbung ist und auch keine Persönlichkeitsrechtsverletzung des Unternehmers, da die Sozialsphäre seiner Werbung als Unternehmer im Rechtsverkehr und nicht seine Privatsphäre betroffen war. Die Gründe gebe ich hier im Volltext wieder, natürlich in anonymisierter Fassung wieder, weil der Streit für mich ein Ende haben soll, aber äußerungsrechtlich auch für Anwaltskollegen von Interesse ist. Der Blogbeitrag ist entfernt, weil auf Beschwerde des Unternehmers bei der hessischen Datenschutzbehörde diese rein formal argumentierte und im Hinblick auf den Namen des Coaches Bedenken hatte: dieser, so das HBDI, sei selbst nicht Vertragspartner gewesen – entweder ein Mißverständnis zum geschilderten Sachverhalt bei der Behörde oder ein bedenkliches Verständnis von Datenschutz bei der Hessischen Datenschutzaufsicht (HBDI) – wie ich finde, denn über seinen echten Namen hatte er die Teilnehmer trotz Zusage der persönlichen Betreuung getäuscht. Aber ich habe zugesagt, den Namen nicht mehr öffentlich zu nennen, weil mir der Streit in eigener Sache zu unverhältnismäßig aufwendig wurde. Damit habe ich zwar meinen Blogbeitrag weiter als rechtmäßig verteidigt – und die Kammer in Köln es mir auch bestätigt, jedoch um des Friedens Willen zur Vermeidung weiteren Aufwands und Streits gelöscht, damit die Behörde das Verfahren einstellt und die Angelegenheit erledigt ist und dies dem Unternehmen mitgeteilt.
Dennoch hat das besagte Unternehmen und der Coach persönlich mich auf Unterlassung für die Zukunft und Schadenersatz vor dem Landgericht Köln verklagt und glücklicherweise nach dem Hinweisbeschluss inzwischen die Klage zurückgenommen. In der Sache hat das Unternehmen mir nun die Verfahrensgebühren zu bezahlen. Das Gericht hat den Streitwert auf 28.000 € festgesetzt.
Der Hinweisbeschluss hier im Volltext in anonymisierter Fassung:
Landgericht Köln, Beschluss vom 6.11.2024, Az. 28 O 207/24:
Zitat:
In dem Rechtsstreit
………..Consulting…..u.a. gegen Hagendorff [VERMERK: ich habe mich als Rechtsanwältin selbst vertreten]
weist das Gericht darauf hin, dass die Klage nach derzeitigem Sach- und Streitstand keine Aussicht auf Erfolg haben dürfte.
Der Antrag zu 1 [Vermerk Rain Hagendorff: dieser Antrag 1 war gerichtet auf vollständiger Löschung meines anwaltlichen Blogbeitrags] ist zu unbestimmt, da nicht konkrete Äußerungen angegriffen werden. Es bleibt völlig unklar, welcher Inhalt des Beitrages beanstandet wird. Im Falle einer Verurteilung mit diesem Tenor würden Probleme bei der Bestimmung der Reichweite der Rechtskraft und bei der Vollstreckung entstehen, da nicht bestimmt wäre, welche Teile des Beitrages betroffen sind.
Der Antrag zu 2 dürfte zwar hinreichend bestimmt sein. Er ist aber unbegründet, da der Kläger zu 2 keinen Anspruch darauf hat, von der Beklagten ein Unterlassen jeder Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten ohne seine Einwilligung zu verlangen. Dies erweist sich als zu weitgehend, da jedenfalls nicht ausgeschlossen werden kann, dass eine Datenverarbeitung z.B. aus Gründen der Prozessvertretung von Mandaten der Beklagten in Verfahren gegen den Kläger zu 2 im berechtigten Interesse der Beklagten im Sinne von Art. 6 Abs. 1 Unterabsatz 1 lit. f DSGVO liegen kann.
Die Kammer versteht den Antrag zu 4 dahingehend, dass er entgegen dem Wortlaut aufgrund der Klagebegründung in Bezug auf die Klägerin zu 1 gestellt werden soll.
Antrag 3 und 4 dürften jedoch unbegründet sein. Die Erweckung eines Eindrucks kann sich nur auf Tatsachenbehauptungen beziehen. Bei der Einordnung der Verträge als nichtig / unwirksam und der Rechtsfolge der Vergütungsrückzahlung handelt es sich indes um Rechtsmeinungen.
Im Übrigen dürfte es sich bei den geäußerten Rechtsmeinungen um eine zulässige Meinungsäußerung handeln, da eine hinreichende tatsächliche Grundlage gegeben ist. So hat das LG …. den Vertrag noch als nichtig eingeordnet. Dass das OLG ….. die Entscheidung inzwischen abgeändert hat, führt nicht dazu, dass man eine abweichende Rechtsmeinung nicht weiterhin äußern kann. Der Beitrag enthält ferner den ausdrücklichen Hinweis auf die abweichende Entscheidung des OLG ….. Es handelt sich auch nicht um eine Schmähkritik, denn der Beitrag befasst sich sachlich mit der rechtlichen Bewertung der Wirksamkeit von Coaching-Verträgen. Die Kläger sind zudem nur in ihrer Sozialsphäre betroffen.
Mangels rechtswidrigen Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kläger besteht auch kein Anspruch auf die Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten (Antrag 5) oder auf die begehrten Feststellungen (Antrag 6 und 7).
Die Kläger erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme zum gerichtlichen Hinweis und zur Klageerwiderung binnen 3 Wochen. Die Rücknahme der Klage mag erwogen werden.
… Zitatende
Hinterlasse einen Kommentar